
CC BY-SA 2.0 DIE LINKE Nordrhein-Westfalen (via flickr.com)
Kommunen kommen u.a. im Rahmen der Hartz-IV-Leistungen für die sogenannten „Kosten der Unterkunft“ (KdU) auf und legen dafür selbst die Grenzen fest, bis zu denen die Miete für Hartz-IV-EmpfängerInnen noch als angemessen gilt und in voller Höhe von Stadt oder Kreis übernommen wird. (Hier die aktuellen Werte für Bonn.) Das Problem dabei ist aber, dass „angemessen“ ein äußerst dehnbarer Begriff ist und deshalb von Kommune zu Kommune höchst unterschiedliche Regelungen existieren. Wenn die Stadt die noch zulässige Höhe der Miete, die sie für die Hartz-IV-Betroffenen übernimmt, quasi selbst festsetzen kann, besteht zudem die Gefahr, dass gerade finanzschwache Kommunen die Vorgaben zur Angemessenheit besonders restriktiv auslegen, um auf Kosten des ärmsten Teils der Bevölkerung den Haushalt zu konsolidieren.
Unsere Bundestagsfraktion hat zu dem Themenkomplex vor einiger Zeit eine Kleine Anfrage gestellt, um herauszufinden, wie viel Geld bundesweit aufgrund fehlender Angemessenheit jährlich bei den Kosten der Unterkunft eingespart wird. Die Antwort stellt auch für Bonn die aktuelle Situation dar, die wir im Folgenden dokumentieren. Dabei beziehen sich diese Zahlen jedoch ausdrücklich nur auf diejenigen Kosten der Unterkunft, die nach SGB II (d.h. im Rahmen von Hartz IV) erstattet werden. Kosten der Unterkunft, die nach SGB XII (Sozialhilfe) oder für Asylbewerber*innen anfallen, sind dabei explizit nicht berücksichtigt und kommen also noch hinzu.
1. Differenz aus tatsächlichen und anerkannten Kosten der Unterkunft
absolute Zahlen (in Euro) | prozentualer Anteil | |||||
2015 | 2016 | 2017 | 2015 | 2016 | 2017 | |
Bonn | 1,77 Mio | 1,83 Mio | 1,63 Mio | 2,0% | 2,0% | 1,7% |
NRW | 132 Mio | 129 Mio | 134 Mio | 3,0% | 2,9% | 2,9% |
Deutschland | 585 Mio | 550 Mio | 561 Mio | 3,6% | 3,4% | 3,4% |
In Bonn wurden demnach in den letzten Jahren jeweils um die 1,7 Mio EUR an Kosten zugunsten der Stadtkasse eingespart, weil Mietkosten von Hartz-IV-EmpfängerInnen von der Stadt nicht übernommen wurden. Schwacher Trost für die Betroffenen: Das ist immerhin prozentual im Verhältnis zu den tatsächlich entstehenden KdU etwas weniger als im Landes- und Bundesschnitt.
2. Bedarfsgemeinschaften (BG) mit Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten Kosten der Unterkunft
absolute Zahlen der BG mit Differenz | prozentualer Anteil an allen BG | |||||
2015 | 2016 | 2017 | 2015 | 2016 | 2017 | |
Bonn | 1.527 | 1.443 | 1.250 | 10,6% | 9,8% | 8,2% |
NRW | 153 Tsd. | 150 Tsd. | 151 Tsd. | 18,0% | 17,5% | 17,4% |
Deutschland | 636 Tsd. | 597 Tsd. | 588 Tsd. | 19,4% | 18,3% | 18,0% |
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, bei denen Mietkosten nicht anerkannt werden, lag in Bonn zuletzt bei 1.250 Fällen. Immer noch zuviel, aber zumindest dem Anteil nach deutlich weniger als in Deutschland insgesamt: Hier ist es fast bei jedem fünften Fall so, dass Mietkosten durch die zuständige Kommune nicht vollständig übernommen werden.
3. Durchschnittlicher monatlicher Fehlbetrag bei Bedarfsgemeinschaften mit Differenz zwischen anerkannten und tatsächlichen Kosten der Unterkunft
durchschnittlicher monatlicher Fehlbetrag (in Euro) | |||||||
2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | |
Bonn | 54 | 92 | 89 | 92 | 97 | 106 | 109 |
NRW | 50 | 61 | 62 | 67 | 72 | 72 | 74 |
Deutschland | 49 | 66 | 71 | 74 | 77 | 77 | 80 |
Dies ist aus Bonner Sicht sicher das Ergebnis, das am meisten Grund zur Besorgnis liefert: Während 2011 der monatliche Fehlbetrag, den Betroffene an Kürzungen hinnehmen mussten, mit 54 Euro noch einigermaßen im Landes- und Bundesschnitt lag, hat er sich seitdem auf 109 Euro verdoppelt. Während also die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, denen die KdU in Bonn gekürzt werden, noch vergleichsweise niedrig liegt (siehe 2.), werden diese doch von den Kürzungen im Vergleich zum Landes- und Bundesschnitt unverhältnismäßig stark getroffen.
Die Ergebnisse der Kleinen Anfrage zeigen, dass der Druck auf die Bedarfsgemeinschaften, deren Wohnungen die Stadt als zu teuer beurteilt, in Bonn in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Nicht nur ist dies unzumutbar für die Betroffenen und zeigt einmal mehr die Ungerechtigkeit des Hartz-IV-Systems, es fördert auch die negative Entwicklung, dass die Bonner Stadtgesellschaft sich immer weiter entmischt: Denn durch die erzwungenen Umzüge aufgrund der verweigerten Kostenübernahme wird auch die soziale Ungleichheit zwischen den einzelnen Vierteln und Stadtteilen weiter ansteigen – und damit die Gegensätze in Stadt und Gesellschaft weiter verschärfen.